Ihre Browserversion ist veraltet. Wir empfehlen, Ihren Browser auf die neueste Version zu aktualisieren.

 

Interview  (für  Mixology – Magazin  „ Stars in Bars “  Ausgabe 03 / 2009 - ungekürzte Fassung)

Die Fragen stellte Tanja Bempreiksz

1. Du bist den meisten Bartendern von vielen Wettbewerben bekannt.
    Was treibt Dich dazu an bei nahezu jedem Wettbewerb mitzumachen?

Mich reizt vor allem der faire sportliche Vergleich, genauso wie die Möglichkeit Kollegen zu treffen und andere Städte und Länder zu bereisen; dabei mit Gleichgesinnten Erfahrungen auszutauschen und neue zu sammeln, Kontakte zu befreundeten Bartendern zu pflegen, andere Bars „ live “ zu sehen sowie persönliche Anregungen für das eigene Barkonzept, Arbeitstechniken und Rezeptideen zu generieren.
Abseits vom Mainstream, sind Wettbewerbe auch ein Ideenpool und fördern die eigene Kreativität. Diese Wettbewerbsreisen dienen auch der eigenen Standortbestimmung ( während des Grand Prix, als auch bei den Bartours ), sollten aber auch mit einer gesunden Selbstreflexion im Erfolg wie im Misserfolg betrachtet werden.
Es bereitet mir sehr viel Freude auf der Bühne zu stehen und mein Können zu beweisen. Spannung, Aufregung, Adrenalin, Applaus und Glücksmomente dürften allen  Wettbewerbsteilnehmern bekannt sein...
Im Erfolgsfall eine schöne Werbung für die Arbeitsstelle, die Region und für mich selbst. Dabei ist aber auch zu bedenken, dass man daran auch vom Publikum gemessen wird, also eine Erwartungshaltung erzeugt, mit deren Druck man umgehen muss. Manchmal frage ich mich, wo würdest Du heute stehen, wer würde Dich, Deine Bar, Deine Stadt, Deine Region (aus Sicht der Barkultur) kennen?- Erfurt ist kein Ballungszentrum, keine Medienstadt und keine Barhauptstadt, aber eine schöne, saubere und grüne Stadt im Herzen Deutschlands und mein „ place of choice “ den ich gut kenne und schätze. - Zurück zum Thema: Meine Leidenschaft gilt der Entwicklung neuer Rezepte und diese einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren und bewerten zu lassen. Dabei ist eine gute Platzierung eine Art Qualitätssiegel.
Niemals würde ich dabei zur Wiederholung oder Kopie greifen, auch wenn das der leichtere Weg zum Erfolg erscheint..., gute Adaptionen ausgenommen.
Ein Wettbewerb ist für mich eine Art Leistungsschau (ähnlich Kochwettbewerben a la „ Olympiade der Köche “), wobei Zeitaufwand, Materialeinsatz und Kalkulation nicht immer der Realität in der Praxis entsprechen, was hierbei auch so gewollt ist. Deshalb entwickele ich oft auch Rezeptversionen für den täglichen Gebrauch. Auch wenn ich beispielsweise 2000 ( mit „White Wedding“), die Vanille-Schote als Dekoration „salonfähig“ gemacht habe, wurde diese niemals von mir in der Praxis verwendet, da der Wareneinsatz viel zu hoch wäre und dieser Drink dadurch keine geschmackliche Verbesserung erhält. Die Dekoration und das Aroma gehören nun mal zur Bewertung, sind aber selten als dogmatisch zu betrachten, gleiches gilt oft auch für bestimmte verwendete Marken oder Produktqualitäten.
Neue Wettbewerbsregeln ( BMGP, Bols ), fachkundige Jurys, die nach dem besten Gesamtpaket und nicht nach „ irgendeinem“ Siegerdrink suchen, sind auch eine neue Motivation. Wäre schön, wenn dieser Fortschritt fortgeführt und sich als Standard  etablieren würde.
Aufgrund unterschiedlicher Aufgabenstellungen, ist es auch notwendig sich mit nicht immer alltäglichen Zutaten, Drink-Kategorien und Arbeitstechniken zu beschäftigen, was sich auch positiv auf das eigene Leistungsspektrum auswirkt und letztendlich damit auch dem Gast zu Gute kommt.
Aufbau und Pflege von Kontakten zur Barindustrie, Importeure, Händler, Medienvertreter, Produktinformationen, neue Zutaten sind ebenfalls ein wichtiger Beweggrund.

2. Es ist selten, dass Du bei Wettbewerben nicht auf dem Siegertreppchen stehst.Was ist das Geheimnis Deines Erfolges?

Eigentlich gibt es da kein Geheimnis, wichtiger Bestandteil ist dabei Beharrlichkeit, Fleiß und Inspiration für den richtigen Drink zu rechten Zeit. Liebe zum Genuss, Lebensart und ein Hauch Talent sind auch nicht unwichtig.
Viel Zeit verwende ich für Zutatenforschung ( „Foodhunter“) in diversen Medien / Orten : historische und aktuelle Cocktailbücher, Kochbücher, TV-Kochshows, nationale und internationale Web-Blogs, Feinkosthändler und Marktplätze um nur einige zu nennen.
Je mehr aufregende Zutaten vorhanden sind, umso mehr spannende Kombinationen sind „erdenkbar“. - Man muss diese natürlich auch verwenden und nicht nur ins Regal stellen. ;-)
Bei aller Flut an Informationen, die glücklicherweise weltweit gesammelt werden und nur noch einen Maus-Klick entfernt sind, ist es wichtig nicht einem Trend „blind“ hinterher zu rennen, sondern einen eigenen Weg und Stil zu finden und aus der Datenflut die persönliche beste Lösung heraus zu filtern, so können auch eigene spannende Drinks entstehen.
Ein wichtiger Faktor ist auch eine rechtzeitige Entwicklung der neuen Ideen, am besten ohne gegebenen Anlass, um noch genügend Zeit für einen ausführlichen Geschmackstest im Freundes- und engeren Kollegenkreis zu haben. Auch ist Kreativität meist nicht einfach abrufbar und wird schnell durch  „Bemühen“ und  „Zwang“ vertrieben. In Abwandlung eines alten Zitats von Martin Luther: „ Aus einem gequälten Instrument, kommt kein fröhlicher Ton! “ Eine gute Idee ist oft wie ein Dreiklang in der Musik. Die restlichen Zutaten sind nur die Melodie.
Auch dafür gibt es gute Beispiele und Ideen aus der Küche. Meine Geschäfts- und Lebenspartnerin Katharina Vierow hat mich durch ihre herausragenden Kochkünste so schon oft zu einem tollen Rezept inspiriert. Wissensdurst, Neugier auf ein schier unendliches Themengebiet sind auch ein Quell für Kreativität. Wir leben in einer  privilegierten Zeit. Viele verschollene Information der Cocktailgeschichte sind wieder zugänglich und werden detailliert recherchiert und führen zu einem breiten Qualitätssprung und haben Einfluss auf neue Kreationen.
Trends mitgestalten, ggf. selbst setzen, dabei noch möglichst allgemein verständlich bleiben, ohne dabei zu langweilen,  sind auch Teil meiner Erfolgsformel.
Beachte: Nicht jedes gute Rezept ist dabei wettbewerbstauglich, ist aber bei entsprechender Beratung des Gastes durchaus sehr erfolgreich ( und umgekehrt ).
Der neue Zeitgeist in der  deutschen Barindustrie ist auch ein Teil meines persönlichen Erfolges.
Ich sehe mich dabei :  „ mitten drin, statt nur dabei “.
Diskussionen, Meinungen, Ratschläge, Informationsaustausch lassen oft Themen in anderem Licht erscheinen und sind somit auch der Kreativität und Qualität förderlich.

3. Mixt Du auch privat Drinks oder trennst Du Deine berufliche Passion von Deinem Privatleben?

Als selbstständiger Barkeeper bin ich quasi rund um die Uhr mit dem Thema Bar beschäftigt: 24-7.
Neben dem täglichen Pensum für unser Unternehmen sind meine Sinne ständig für neue Cocktail-Ideen und Zutaten geschärft, die dann umgehend als Skizze notiert werden. Wie bereits oben erwähnt, nutze ich viele zu Verfügung stehenden Informationsmedien, was viel Zeit kostet, deshalb nicht alle... ( facebook usw.)
Glücklicherweise habe ich mit meiner Partnerin Katharina einen Menschen gefunden, der diese Leidenschaft für Essen und Trinken gleichermaßen teilt und meine Gedanken und Ideen mit- und erträgt. So findet ein ständiger Austausch und Reflexion von Informationen rund um das Thema Bar statt. Bei vielen meiner Drinks ist sie die erste Jury oder direkt an der Entwicklung beteiligt. Da eine Grenze zwischen Passion und Privat zu ziehen ist schwer, aber auch manchmal nötig. Im privaten Bereich mixe ich eher selten, aber wann sind wir denn mal „ privat “...
Tipp: Lass Dich niemals zu einer Party einladen, weil Du Bartender bist, sondern nur als Gast, sonst hättest Du auch eine Rechnung stellen können..., denn es bleibt nie bei den „paar Drinks“...

4. Lässt Du Dein Personal an Deinem Wissen und Können teilhaben?
    Lässt es sich von Deiner Kreativität „anstecken“ ?

Derzeit arbeiten in meinem Team fünf Mitarbeiter aus den unterschiedlichsten Regionen Deutschlands und Österreichs, die zumeist genau aus diesem Grund nach Erfurt gekommen sind.
Dabei bin ich bestrebt möglichst viel Wissen weiterzugeben, was aber auch strukturiert vermittelt werden muss : zu viele Details können auch verwirren. Ein umfassendes Fachwissen braucht Zeit, auch eine Portion Erfahrung und persönliches Engagement. Wird dabei jedoch nie vollständig sein, deshalb ist mir die Aus-und Weiterbildung besonders wichtig. Das beherrschen der Rezepturen, Arbeitstechniken und die Erfüllung des weiteren beruflichen Anforderungsprofils bilden dabei die Grundlage für die persönliche Kreativität. Ohne fachliche Grundlagen machen eigene Rezepte nur wenig Sinn. Meine eigene Wettbewerbs-Karriere begann erst spät: 1996, nachdem ich bereits etliche Jahre in Bars gearbeitet hatte. Nun so lange sollte es nicht unbedingt dauern...
Gern beziehe ich mein Team in die Entwicklung meiner Drinks mit ein, dabei ist ein Abschauen der Herangehensweise ausdrücklich erwünscht. In der nächsten Zeit bin ich gespannt und habe gute Hoffnung, dass da noch einige gute Ideen dabei herauskommen und noch andere Namen in Verbindung mit „Modern Masters“ auftauchen werden.  
Kreativität ist aber kein Zwang, sondern eine „Gabe“, auf die man auch warten können muss..., meist entwickelt sie sich ganz von selbst durch Wissen. Jeder hat unterschiedliche Talente: nicht  jeder gute Komponist ist auch ein guter Musiker und umgekehrt, deshalb nichts erzwingen.
Es gibt für einen Bartender noch viel mehr zu meistern, z. Bsp. Gastgebertum.

5. Welche besonderen Drinks gibt es auf der Karte des Modern Masters? Highlights?Ungewöhnliches? Siegerdrinks von Dir ?

Wir bearbeiten eine sehr umfassende Karte in der viele Barstile vereint sind: historische Drinks, Alltagsklassiker und Cuisine-Style-Drinks. Natürlich sind dabei einige meiner Siegerdrinks und andere Signatures, aber auch Rezepte von Freunden und Kollegen, die mir besonders aufgefallen sind. Eine neue überarbeitete Version geht demnächst in Druck. Als neue Rubrik habe ich eine Auswahl an Exhibition-Drinks mit aufgenommen, deren Zubereitung, Zutaten und /oder Geschichte und auch deren Wareneinsatz besonders herausragend / aufwendig sind, um dem geneigten Connoisseur noch mehr besondere Geschmackserlebnisse zu offerieren.

6. Führst Du rare Spirituosen an Deiner Bar ?

In unserem Sortiment sind ca. 500 Spirituosen, davon ca. 100 Raritäten, obwohl im Zeitalter der Online-Shops dieser Begriff an Bedeutung verliert. Eher zutreffend wäre vielleicht: noch nicht durch große Importeure auf dem deutschen Markt eingeführt. Dabei lege ich mein Hauptaugenmerk  auf stabile Lieferquellen und den Warenwert der im Regal steht, denn es soll ja auch „ bewegt “ werden und nicht nur „ nice to have “ sein, natürlich gibt es auch Ausnahmen.
Auch andere seltene Zutaten, frische Kräuter und Exoten sind ständig zu beschaffen, inzwischen habe ich eine Händlerliste von über 30 regelmäßigen Lieferanten.
Einzelflaschen und Souvenirs landen eher in meinem Privat-Stock. Ein ausgewogenes, vielseitiges Sortiment und ständige Suche nach neuen Zutaten beflügelt die Kreativität. Dabei sollten die Produkte kalkulierbar, innovativ und praxistauglich sein.

7. Ist die Karte des Modern Masters allein aus Deiner Feder oder gestaltet Ihr sie als Team?

Für Karte, Drinkauswahl und Kalkulation bin ich selbst verantwortlich.
Selbstverständlich stelle ich meine Ideen vor und hole mir ein Feedback beim Team und meiner Partnerin ein. Vorschläge werden zusammengetragen, abgewogen und gemeinsam besprochen, die  letzte Entscheidung liegt dann bei mir.

8. Wie kam es dazu, dass Du Deine Bar in Erfurt eröffnet hast, das nicht gerade die Hauptstadt der Barkultur ist?

In erster Linie ist Erfurt für mich Heimat und eine wirklich schöne Stadt, ist Landeshauptstadt des Bundeslandes Thüringen und mit rund 200.000 Einwohnern übersichtlich, aber nicht klein.
Bei der Standortwahl war entscheidend, dass ich Land und Mentalität der dort lebenden Menschen kenne, durch andere Arbeitsstellen und Zeitungsberichte kannten mich bereits viele potentielle Gäste. Als ich noch die passenden Räume in einem restaurierten Haus aus dem 16. Jahrhundert, in zentraler Altstadtlage gefunden hatte, war der Weg vorgezeichnet. Hilfreich waren auch bereits geknüpfte Geschäftskontakte und angemessene Rahmenbedingungen.
Seit nunmehr fast acht Jahren leben wir unseren Traum und sind als feste Größe etabliert.

9. Wissen Deine Gäste die hohe Qualität der Drinks zu würdigen, die in Deiner Bar zubereitet werden?  Sind sie bereit einen höheren Preis zu zahlen als in der benachbarten Eckkneipe?

Das Qualität einen Preis haben muss, sollte Jedem bekannt sein, doch sollte die Preisfindung nicht willkürlich sein. Nach Ergebnissen von Marktforschungsinstituten treffen 80% der Deutschen ihre Kaufentscheidung über den Preis. Wer eine breit aufgestellte Gaststruktur konzeptionell haben möchte, sollte das beachten. Gastzufriedenheit und ein gutes Preis-/ Leistungsverhältnis sind wichtige Faktoren für dauerhaften Erfolg. Einen weiteren Erfolgsgrund sehe ich in einer guten Beratung, Transparenz, Verlässlichkeit, Bodenständigkeit  und Sortimentsgestaltung, so dass für alle etwas dabei ist ( vom Exhibition- bis Standard-Drink, ebenso bei der Preisstruktur ). Bedenke, wir leisten immer noch bei vielen Gästen was das Thema Cocktail angeht, Aufbauarbeit. Das ist der einzige Standortnachteil, den ich beklagen könnte, der aber von vielen Vorteilen bei weitem aufgewogen wird.
Viele bestellen/probieren ihren ersten Drink bei uns und nutzen dabei unsere Happy Hours. Aber auch Cocktailians kommen dabei nicht zu kurz, denn Markenqualität ist oberstes Gebot. Dabei beobachte ich die meist jährlichen Preiserhöhungen der Industrie kritisch, denn die wenigsten Gäste könnten eine regelmäßige Umlage auf den Durchschnittspreis nachvollziehen. Letztendlich haben wir unsere etwas über dem Durchschnitt liegenden Preise durchsetzen können. Eine gute Auslastung, ein Cocktailanteil von ca. 80% und konstante Zahlen bestätigen uns darin.  

10. Meinst Du, dass Du auch in zehn Jahren noch an Wettbewerben teilnehmen wirst,oder wo siehst Du Dich dann?

Das ist noch nicht absehbar, ein paar Destinationen wären da schon noch übrig. Ähnlich zu meinen Drinks strebe ich eine gewisse Perfektion an und möchte neu erworbene Kenntnisse anwenden und ausprobieren. Reflexion, Analyse, Verbesserungen sind ständige Prozesse, die auch zu einer ständigen Optimierung in der Praxis führen. So lange ich einen sinnvollen Beitrag zur Barkultur bringen kann, wird man mich sehen können.
Bei der Auswahl der Teilnahmen treten dabei aber immer mehr die Qualität der Aufgabenstellungen und der Jury-Besetzungen in Vordergrund. Der Trend der letzten Jahre ( Leistungsprinzip / Vielseitigkeit ) gibt in diesem Punkt Anlass zur Hoffnung.
Je professioneller die Veranstaltungen aufgezogen werden, umso mehr Vermarktungschancen bestehen und so attraktiver für jeden Teilnehmer, auch materiell. Eine Art Liga ( a la Pro-Tour ) oder eine unabhängige German Open ( angelehnt an „ Legends of Bartending “ ) wären für mich vorstellbar. Bis dahin sehe ich vermehrt Jury-Aufgaben auf mich zukommen und den einen oder anderen Grand Prix.
Für mich persönlich hoffe ich auf Gesundheit, berufliche und private Konstanz, ein starkes engagiertes Mitarbeiter-Team und etwas mehr Freizeit. Außerdem möge uns die Politik mit weiteren Wirren, wie Rauchverbot, Werbeverbote und Steuererhöhungen verschonen.